Wilhelm Friedrich Philipp Pfeffer
Wilhelm Friedrich Philipp Pfeffer (1845- 1920)
Wilhelm Pfeffer gilt neben Julius Sachs als bedeutendster deutscher Pflanzenphysiologe des frühen 19. Jahrhunderts.Seine Arbeiten an Zellmembranen und zur Osmose führten ihn zur Konstruktion der „Pfefferschen Zelle“, einem Osmometer zur quantitativen Bestimmung des osmotischen Drucks wässriger Lösungen. Mit der ihm eigenen streng physikalisch und chemisch begründeten Betrachtungsweise und molekularbiologischen Sicht auf die Struktur von Membranen und deren Funktion, hat er die moderne Molekularbiologie richtungsweisend beeinflusst. Im wird am IPK heute mit einer Plastik am Eingang des Friedrich-Mieser-Hauses gedacht.
Wilhelm Pfeffer wird am 9. März 1845 im kurhessischen Grebenstein bei Kassel geboren und erhält vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr häuslichem Privatunterricht. Im Anschluss besucht er drei Jahre lang das Kurfürstliche Gymnasium in Kassel und beginnt mit 15 Jahren eine Lehre in der väterlichen Apotheke, die er als Apothekengehilfe beendet. Danach studiert er vier Semester Chemie an der Universität Göttingen und kann 1865 das Studium mit einer chemischen Dissertation und Promotion zum Dr. phil. abschließen. Mit dem Wechsel an Universität in Marburg beginnt eine pharmazeutische Spezialisierung. Deren Fortsetzung führt ihn über Augsburg nach Chur bevor er - zurück in Marburg - 1869 das Pharmazie Studium abschließt.
Sein starkes Interesse an der Erforschung von Pflanzen führt W. Pfeffer nach Berlin, um sich als Privatassistent bei Nathanael Pringsheim der Botanik zu zuwenden. Ab 1870 unter dem Einfluss von Julius Sachs in Würzburg, habilitiert er 1871 in Göttingen mit einer Arbeit zur Wirkung „farbigen Lichtes auf die Zerstörung der Kohlensäure in Pflanzen“ und erhält 1873 seine erste Berufung als assoziierter Professor an die Universität Bonn. Es folgen weitere Berufungen: 1877 an die Universitäten Basel, 1878 auf den Lehrstuhl für Botanik der Universität Tübingen und ab 1887 an die Leipziger Universität.
In Tübingen und Leipzig sind es, gemessen an der zunehmenden Schar von Schülern und dem Empfang von Ehrungen, Mitgliedschaften und Auszeichnungen, die erfolgreichsten Jahre seines Wirkens als Lehrer und Forscher. Erholung und Ausgleich bieten ihm Exkursionen mit seinen Studenten, Wandern in der Natur, Arbeit in seinem „Botanischen Garten“, Ferienreisen in die Berge (als engagierter Bergsteiger am Matterhorn) oder seine zahlreichen Reisen im In- und Ausland anlässlich von Auszeichnungen und Mitgliedschaften zu Empfängen und Besuchen.
Ausgehend von (C. W. von) Naegelis „Micellarhypothese“ zur Struktur von Zellwänden und „Protoplasten“ definierte Wilhelm Pfeffer „Plasmahäute“ als Verbund von Makromolekülen (Tagmen). Damit gab er um 1920 Hermann Staudinger den Anstoß für erste Strukturmodelle von Makromolekülen, u.a. für Cellulose, Stärke und Kautschuk, für die dieser 1953 den Nobelpreis erhielt.
Gestützt auf erste Arbeiten des Pflanzenphysiologen Dutrochet über Osmose und dessen „Di- oder Endosmometers“ unter Verwendung einer Schweinsblase als (semipermeable) Membran, entwickelt Pfeffer um 1875 mit großem experimentellem Geschick die Pfeffersche Zelle. Sie besteht aus eine ca. 46 Millimeter hohen Tonzelle, die er künstlich mit Ferrocyankupfer als „semipermeable Membran nach dem Modell der „Traubesche Zelle“ beschichtet und dann in Verbindung mit einem Manometer als Osmometer erstmals für die Bestimmung osmotischer Drücke, der Saugwerte von Lösungen, anwenden kann. Jacobus Henricus van´t Hoff untersuchte später aufgrund der Pfefferschen Erkenntnisse die Gesetze verdünnter Lösungen und erhielt im Jahr 1901 den ersten Nobelpreis für Chemie.
In Verbindung mit Beobachtungen über Reizbewegungen bei Pflanzen am Beispiel von Mimosen oder der Längen- und Volumenveränderungen bei Staubfäden von Centaurea- Arten (Kornblume), erkennt Pfeffer die physiologische Bedeutung von Osmose für zellmechanische Bewegungen auf der Grundlage osmotischer Prozesse der Aufnahme, bzw. Abgabe von Wasser in Abhängigkeit von der Konzentration und den molekularen Eigenschaften im „Zellsaft“ gelöster Stoffe. Mit seinem außergewöhnlichen Geschick hat Pfeffer die experimentelle Botanik und außerdem durch eine Fülle zunächst unbeachtet gebliebener Vorhersagen bereichert und angeregt.
Lange vor dem Zeitaltere der Mikrobiologie hat Pfeffer Bakterien und andere Einzeller - heute würde man von Modellsystemen sprechen - als Objekte für die Erforschung von „Grundproblemen der Reiz- und Sinnesphysiologie“ empfohlen oder der modernen Biochemie und Biotechnologie mit seinen Beobachtungen zur „Selbststeuerung“ physiologischer Prozesse beruhend auf dem Prinzip der Rückkopplung, dem Oszillieren von Stoffwechselvorgängen nach Aktivierung oder Hemmung von Enzymen richtungsweisende Anregungen gegeben.