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© Leibniz-Institut (IPK)
Science Slam: Martin Becker tauscht Labor gegen Bühne

In der Wissenschaftskommunikation entstehen neben den klassischen Kanälen immer wieder neue Formate. Beim Science Slam steht ein Wissenschaftler auf der Bühne und erklärt dem Publikum in einem kurzen Auftritt anschaulich und verständlich ein häufig sperriges Thema. Was die Chancen und Herausforderungen sind und wie die Wissenschaft davon profitiert, erläutert Dr. Martin Becker - selbst Science Slammer.

  • Wie sind Sie zum Science Slam gekommen? Wann, wo und vor allem mit welchem Thema sind Sie das erste Mal aufgetreten?

Ich kannte das Format bereits aus dem Freundes- und Kollegenkreis. In meiner Postdoc-Zeit am IPK erreichte mich dann ein Angebot für einen Science-Slam-Workshop zu gezielten Genomveränderungen mittels Cas-Endonukleasen bei Julia Offe in Hamburg. Sie organisiert seit Jahren schon Science Slams in Hamburg, Berlin und Köln. Die Erfahrungen aus diesem Workshop wollte ich direkt in die Tat umsetzen und meine eigene aktuelle Forschungsarbeit öffentlich präsentieren. Gesagt, getan: Im November 2019 bin ich dann in Hamburg auf der Bühne des „Uebel & Gefährlich“ mit meinem Science Slam „Sniper statt Schrotflinte - Grüne Gentechnik 2.0“ aufgetreten. Corona bedingt gab es eine Pause, aber ich bin sehr froh, dass ich jetzt wieder auftreten kann. Am 3. September bin ich in Düsseldorf vor Ort und am 10. September zu einem virtuellen Science Slam in Braunschweig eingeladen.

  • Was fasziniert Sie an diesem Format, und welche Chancen bietet es? Und warum machen Sie bis heute weiter Science Slams?

Der Science Slam ist ein sehr ehrliches und direktes Forum. Man erhält immer ein direktes, manchmal auch überraschendes Feedback vom Publikum und muss sich der Botschaft, die man vermitteln möchte, sehr bewusst sein. Dieses Format bietet die Chance, einem breiten Publikum neue Erkenntnisse zu vermitteln, die sonst nur einem sehr kleinen Kreis vorbehalten wären, also etwa Kollegen, die die entsprechende wissenschaftliche Veröffentlichung kennen. Mit dem Science Slam schafft man es dagegen, Menschen zu erreichen, die man sonst nicht erreichen würde. Und man kann falsche Vorstellungen und Vorteile, die kursieren, korrigieren und bestenfalls ausräumen. All das motiviert mich immer wieder neu, einen Science Slam vorzubereiten und auf der Bühne aufzutreten.

  • Mit der Gentechnik bringen Sie ein umstrittenes Thema auf die Bühne. Eignet sich prinzipiell jedes Thema für einen Science Slam?

Manche Themen sind natürlich dankbarer, aber generell eignet sich jedes Thema für einen Science Slam. Manchmal schafft man es nur, die eigene Forschung anzureißen, weil vorher sehr viel Zeit notwendig ist, um in die Thematik einzuführen. Gentechnik aber ist ein Begriff, den fast jeder schon einmal gehört hat, daher ist es ein eher dankbares Thema für einen Science Slam. Bei meinem Promotionsthema, bei dem es um die molekularbiologische Auswirkung von Kieselsäure auf die Entwicklung des Casparischen Streifens in der Exodermis von Reis geht, wüsste ich wiederum bis heute nicht, wo ich bei einem Science Slam anfangen sollte, aber vielleicht bereite ich das in Zukunft nochmal auf.

  • Was macht einen guten Science Slam aus? Und auf welche Techniken und Elemente greifen Sie zurück, wenn Sie dem Publikum von der Bühne ein komplexes Thema näherbringen wollen?

Für einen guten Science Slam gilt: Je mehr Sinne angesprochen werden, desto besser. Wenn der Wissenschaftler einen Monolog hält, schläft das Publikum ein. Wer das Publikum jedoch einbindet, rhetorische Fragen stellt oder einen Live-Versuch macht, kommt gut an. Deshalb erkläre ich mit einer Animation meines Hundes, wie Cas9-Endonukleasen funktionieren. So verbindet man etwas, was jeder kennt und nachvollziehen kann, mit etwas Neuem, das für viele zunächst kompliziert erscheint und erschreckend wirkt. Deshalb breche ich sehr komplizierte Dinge auf den kleinsten, einfachsten Nenner runter. So ist die Information zwar stark vereinfacht, aber dennoch nicht falsch. So kann man das Publikum Stück für Stück in ein komplexeres Thema einführen.

  • Welche Reaktion aus dem Publikum hat Sie bisher am meisten überrascht? Und wie profitieren Sie als Wissenschaftler von Ihren Auftritten?

Man merkt immer wieder, dass Humor schlecht planbar ist und das Publikum niemals gleich reagiert. Aber jeder möchte unterhalten werden. Und Kommentare wie „so wie er das erklärt hat habe ich das zum ersten Mal verstanden“ sind dann schon ein schönes Feedback nach all der Vorbereitung. Häufig bekomme ich auch Reaktionen, in denen die Leute ihr Unverständnis über die aktuellen Regelungen zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zum Ausdruck bringen. Es ist jedoch keine Einbahnstraße. Manchmal bringen mich Diskussionen nach einem Auftritt auf neue Ideen. Es ist jedenfalls immer ein positives Ereignis für mich und steigert die Motivation für die eigene Forschungsarbeit. Diese ist und bleibt mein vorrangiges Feld.

  • Was ist schwieriger, einen wissenschaftlichen Vortrag vorzubereiten oder einen Science Slam Auftritt? Was sind die Unterschiede?

Der Science Slam ist anders als ein wissenschaftlicher Vortrag. Während man mit der Zeit sehr geübt ist im wissenschaftlichen Vortragsstil, ist der Slam ein komplett anderes, zunächst noch unbekanntes Format. Bei einem wissenschaftlichen Vortrag reicht es meist aus, die eigenen Ergebnisse im Kontext des eigenen Forschungsbereiches einordnen zu können. Beim Science Slam hingegen benötigt man generell ein breitgefächertes Grundverständnis für das gesamte Forschungsgebiet. Andernfalls ist es nicht möglich, komplexe Inhalte vereinfacht darzustellen. Dazu sollte der Slam witzig sein und locker vermittelt werden. Dies geht jedoch nur, wenn man selbstsicher ist. Und diese Sicherheit erreicht man nicht nur durch Wissen, sondern vor allem mit Übung. Der größte Unterschied ist allerdings, dass es in einem Science Slam nicht um Ergebnisse geht, sondern um das Verständnis. Jeder soll die Botschaft verstehen können, und bei der Erklärung bringen weniger Punkte meistens mehr.

  • Warum hat die Wissenschaftskommunikation generell in den vergangenen Jahren so an Bedeutung gewonnen?

Wir haben in Deutschland einen hohen Bildungsgrad und die Leute interessiert sehr, welche Forschung hierzulande stattfindet. Sonst wären Science Slams nicht immer ausgebucht, es würde dieses Format nicht in diesem Umfang und mit diesem Erfolg geben.

  • Warum gibt es immer noch vergleichsweise wenige Wissenschaftler, die sich auf neue Formen der Wissenschaftskommunikation einlassen?

Nicht jeder Wissenschaftler hat Lust, in seiner Freizeit einen Slam vorzubereiten, und nicht jeder Wissenschaftler hat die Möglichkeit oder die Erlaubnis, seine Ergebnisse in dieser Form zu präsentieren. Hinzu kommt: Wissenschaftskommunikation hat in meinem Studium keine Rolle gespielt. Es gibt aber auch heute noch viel Aufklärungsbedarf bei den Studenten und in den Hochschulen. Wissenschaftskommunikation wird immer noch mehr belächelt als ernst genommen und kostet in den Augen vieler nur wertvolle Arbeitszeit des Wissenschaftlers, die auch für andere, vermeintlich sinnvollere Dinge genutzt werden könnte. Ich habe da Glück: Das IPK, meine Kollegen und Chefs geben mir den nötigen Rückhalt und die Unterstützung, um auf diesem Feld aktiv sein zu können.

  • Sehen Sie sich als Wegbereiter? Und wird die Kommunikation künftig zum Arbeitsalltag eines Wissenschaftlers gehören?

Ich bin sicher eine von den Personen, die dazu beitragen, Wissenschaftskommunikation als Teil der Arbeit eines Wissenschaftlers alltäglicher zu machen. Wenn sich das künftig mehr Wissenschaftler trauen, könnte tatsächlich ein generelles Umdenken gefördert werden. Das würde ich sehr begrüßen, denn so könnte auch für die Wissenschaft etwas erreicht werden. Das Publikum verbreitet das, was es beim Science Slam erlebt und erfahren hat, ja weiter. Das ist aus meiner Sicht wichtig, um ein Umdenken in der Gesellschaft zu befördern, etwa mit Blick auf die Grüne Gentechnik, und um innovationsfeindliche Denkweisen zurückzudrängen.   

  • Wie viel Zeit wenden Sie heute schon für Ihre Science-Slam-Aktivitäten auf? Und wie schwierig wird es sein, künftig die Balance zwischen Wissenschaftskommunikation und Wissenschaft zu finden?

Klar ist: Ohne wissenschaftliche Ergebnisse gibt es nichts zu kommunizieren, daher hängen Wissenschaftskommunikation und Forschung unmittelbar zusammen. Ich denke aber nicht, dass die Forschungstätigkeit unter der Wissenschaftskommunikation leidet, das ist eher anders herum. Die Konzeption eines Science Slam nimmt anfänglich schon etwas Zeit in Anspruch, aber die aufbereiteten Elemente lassen sich teilweise auch in wissenschaftlichen Vorträgen einbauen. Insgesamt profitiert die Wissenschaft von der Kommunikationstätigkeit.