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Foto: Universität Halle/ Markus Scholz
Prof. Dr. Marcel Quint, Sprecher des Sonderforschungsbereiches
„Wir wollen die Black Box öffnen“

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein Projekt mit vier Partnern aus Mitteldeutschland, in dem es um die Verknüpfung von Protein- und Pflanzenforschung geht. Die Ziele, den Zeitplan und die Bedeutung des Vorhabens erklärt Prof. Dr. Marcel Quint von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Sprecher des neuen Sonderforschungsbereiches (SFB) „Plant Proteoform Diversity“.

Was fasziniert Sie ganz persönlich an Proteinen?

Sie sind der Schlüssel auch zum Verständnis der pflanzlichen Prozesse. Wir wissen heute schon viel über die DNA und über den Phänotyp. Aber der Schritt dazwischen, die Proteine, sind noch eine „Black Box“ … 

… die Sie jetzt öffnen wollen.

Genau! Wir wollen untersuchen, welche Wirkung die natürliche genetische Variation auf die Struktur und damit auf die Funktion von Proteinen hat, weil dies am Ende die Eigenschaften und Merkmale der Pflanze bestimmt.

Und wo genau auf dem Weg vom Gen zur pflanzlichen Eigenschaft setzen Sie an? 

Wir müssen schon auf der Ebene der Einzelbasen ansetzen. Bereits eine Mutation kann eine Aminosäure verändern und damit die Struktur und die Funktion von Proteinen beeinflussen, die ja aus Aminosäureketten bestehen. Die Struktur von Proteinen ist jedoch viel schwieriger als die Struktur der DNA. Das liegt einfach daran, dass die Aminosäureketten sich falten und verschiedene Formen annehmen. Diese 3-D-Struktur zeichnet Proteine aus.

Welche Laufzeit hat das Projekt, und welche Fördersumme steht Ihnen zur Verfügung? 

Das Projekt gliedert sich in die drei Phasen von jeweils vier Jahren. Für die erste Phase steht uns jetzt eine Summe von 13,4 Millionen Euro zur Verfügung.

Was sind die Schwerpunkte der einzelnen Phase?

Zunächst müssen wir zeigen, dass die große genetische Vielfalt tatsächlich verschiedene Proteinstrukturen nach sich zieht. Wir müssen also zeigen, dass wir die „Black Box“ auch tatsächlich füllen können. Im zweiten Schritt geht es darum, auch Vorhersagen treffen zu können. Wir müssen herausfinden, welche Mutationen die Struktur der Proteine verändern. Und in der letzten Phase wollen wir zeigen, dass wir tatsächlich auch Proteine „designen“ können. Zumindest beispielhaft wollen wir zeigen, dass es funktioniert.

Wofür könnte das wichtig sein?

Wir erhoffen uns davon zum Beispiel mit Blick auf den Klimawandel neue Erkenntnisse. Dabei geht es um die Frage, ob wir Proteine so gestalten können, dass sie auch unter den geänderten Umweltbedingungen ihre Funktion weiter oder sogar besser erfüllen können.

Es gibt aber noch eine Vielzahl anderer Anwendungsmöglichkeiten fürs Proteindesign. In der Humanmedizin werden designte Proteine zum Beispiel in der Alzheimer- und Krebstherapie eingesetzt. Im Pflanzenbereich sind Anwendungen zur gesteigerten Pathogenresistenz, aber auch zur Synthese von Naturstoffen weitere Möglichkeiten für die künftige Nutzung.

Welche Rolle spielt das IPK? 

Wir beschäftigen uns zunächst mit Arabidopsis, aber natürlich muss es unser Ziel sein, die Fragestellung und die Erkenntnisse auch auf Kulturpflanzen zu übertragen. Und da kommt das IPK ins Spiel, weil es über die entsprechenden Ressourcen verfügt, also beispielsweise die Sequenzdaten zur Gerste. Doch nicht nur das: Auch die IPK PhänoSphäre und weiteren Anlagen für die Phänotypisierung sind für uns von großer Bedeutung, denn sie helfen uns, Veränderungen von Eigenschaften zu erfassen und zu verstehen.

Das IPK ist in Person des Geschäftsführenden Direktors Nicolaus von Wirén Teil unseres Konsortiums, der zum Steering Committee gehört, aber auch maßgeblich an der Erstellung des Antrags und der konzeptionellen Entwicklung des SFBs beteiligt war. Darüber hinaus leitet er eines der 17 Teilprojekte.

Am IPK beschäftigt sich seit Kurzem auch eine Perspektivgruppe mit Strukturmodellen von Proteinen. Ist das Projekt offen für weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Partner?

Ja, das Projekt ist offen für weitere Partner. Vor allem Nachwuchsgruppen wie die von Ihnen angesprochene neue Gruppe am IPK sind herzlich eingeladen, in den nächsten Jahren mit in den SFB einzusteigen.

Wie groß war die Herausforderung, 17 Teilanträge sinnvoll aufeinander abzustimmen?

Es ging darum, ein gemeinsames Thema zu finden, in dem sich alle wiederfinden. Dazu mussten wir ein überzeugendes Konzept als eine Art Dach entwickeln, unter dem alle Partner auch weiter an ihren bisherigen Fragestellungen arbeiten können. Wir haben letztlich aber eine gute Balance gefunden, die sicher auch ein Schlüssel für den Erfolg unseres Antrages war.

Die DFG hat letztlich alle 17 Teilanträge des SFB genehmigt. Hatten Sie damit gerechnet? Und wie außergewöhnlich ist das?

Natürlich hat es uns sehr gefreut, dass alle 17 Anträge bewilligt worden sind. Das war aber auch fast schon eine Voraussetzung. Streicht die DFG mehr als einen Teilantrag, dann hat eigentlich auch der Gesamtantrag keine Chance mehr.

In fast allen 17 Projekten arbeiten jeweils Pflanzen- und Protein-Wissenschaftlerinnen zusammen. Hat es so etwas schon einmal gegeben?

Ich kenne kein Verbundprojekt, wo das so konsequent umgesetzt und auch so organisch aufeinander abgestimmt worden ist. Insofern betreten wir wohl tatsächlich Neuland.

Neben der Universität Halle und dem IPK Leibniz-Institut sind auch das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie und die Universität Leipzig an dem Projekt beteiligt. Wie erklärt sich diese Konstellation? 

Zwischen der Uni Halle und den beiden Leibniz-Instituten IPB und IPK gibt es schon seit Jahren eine gewachsene Partnerschaft. Wir kennen und schätzen uns. Und es ist ja der ausdrückliche Wunsch der Leibniz-Gemeinschaft, dass es genau solche Kooperationen zwischen Instituten und Universitäten gibt. Für den SFB haben wir nun die Uni Leipzig dazugenommen, weil sie über viel Expertise in der 3D-Modellierung von Proteinen hat. Letztendlich hatten wir so genug kritische Masse und wissenschaftliche Exzellenz für einen erfolgreichen Antrag.

In welcher Form und in welchem Ausmaß stärkt die Bewilligung des Projekts den Forschungsstandort Mitteldeutschland?

Einen SFB zieht man nicht jedes Jahr an Land, daher hat die Bewilligung einen immensen positiven Effekt für die Region. Der SFB macht Exzellenz möglich und kann ein Baustein für eine zukünftige Exzellenzinitiative sein.

Geplant ist auch ein Graduiertenkolleg. Können Sie dazu schon Einzelheiten nennen?

Das Graduiertenkolleg wird von meiner Kollegin Caroline Delker geleitet. Vorgesehen sind Stellen für 25 Doktorandinnen und Doktoranden sowie für neun Postdocs. Auch hier ist es das Ziel, die Bereiche Pflanzen- und Proteinforschung miteinander zu verschmelzen. Also geht es darum, die Sprache und das Fachwissen des jeweils anderen Bereiches zu erlernen und davon zu profitieren. Dazu bieten wir eine Reihe von Workshops an. Für die fachlichen und methodischen Punkte nehmen wir dabei Verantwortliche aus unserem Kreis, für die Vermittlung diverser „Soft Skills“ werden wir externe Trainer engagieren.

Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Wärmetoleranz von Pflanzen. Wie können Sie Ihre Expertise in den SFB einbringen und welcher Frage gehen Sie in dem Projekt nach?

Wir wollen die Effekte von genetischer Variation in zentralen Genen, deren Produkte - also deren Proteine - die Wachstumsreaktionen auf steigende Temperaturen regulieren, besser verstehen. Dabei kooperieren wir mit Andreas Sinz aus der Pharmazie der Martin-Luther-Universität. 

Ein anderes Projekt ist sehr bioinformatisch ausgerichtet und ist eine Kooperation mit Ivo Grosse und Jan Grau aus der Bioinformatik der Uni. Ziel dabei ist es, auf der einen Seite Datenbankressourcen aufzubauen, die die genetische Variation hinsichtlich potenzieller Effekte auf Proteinstrukturen und -funktionen genomweit in verschiedenen Pflanzenarten beschreiben. Und auf der anderen Seite geht es darum, Algorithmen zu entwickeln, die es uns erlauben, die Effekte einzelner Mutationen auf die Struktur des Proteins vorherzusagen.

Wann rechnen Sie mit ersten Ergebnissen? 

Die ersten „Proof of Concept“-Ergebnisse werden sicherlich schon in den ersten 1-2 Jahren der ersten Förderphase zu erwarten sein. Die Ergebnisse jedes einzelnen Projektes werden dann von den zentralen bioinformatischen Projekten genutzt, um daraus allgemeingültige Schlussfolgerungen für das gesamte Konsortium abzuleiten. Auf denen basiert anschließend die zweite Förderphase. 

Letztlich werden die Ergebnisse natürlich der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und sind somit für eine größere Pflanzen- und Proteincommunity weltweit nützlich. 

Mehr Infos:
https://snp2prot.uni-halle.de/