NMR-Plattform
NMR-Plattform
Die Kernspinresonanz (NMR)-Technologie am IPK
Die Kernspinresonanz (NMR)-Technologie am IPK wird durch eine leistungsfähige technische Plattform repräsentiert, die hochauflösende funktionelle Bildgebung von Pflanzen ermöglicht. Ziel und Aufgabe der NMR-Plattform am IPK ist es, zerstörungsfreie Visualisierungen und Untersuchungen an lebenden Pflanzen und insbesondere an Samen zu ermöglichen. Pflanzliche Merkmale können auf vielen verschiedenen Ebenen - innere Struktur, Biochemie und Dynamik – im lebenden Organismus analysiert werden, und das macht die Einzigartigkeit dieser Technologie aus.
Die NMR-Plattform umfasst spezielle Instrumente, eigenentwickelte Methoden und Anwendungen. Die Entwicklung der NMR-Plattform wurde von der Forschungsgruppe „Assimilatallokation und NMR“ (AAN) unter der Leitung von PD Dr. L. Borisjuk in der Abteilung Molekulare Genetik (Leiter Prof. T. Altmann) durchgeführt, und durch das EFRE-Programm (Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung) gefördert.
NMR arbeitet im Hochfrequenzbereich des elektromagnetischen Spektrums und wurde zur Untersuchung verschiedener Aspekte des Lebens von Pflanzen genutzt (zur Übersicht siehe Borisjuk et al., Plant Journal 2012). NMR-Geräte nutzen Magnetfelder, Magnetfeldgradienten und Radiowellen, um die Zusammensetzung zu charakterisieren und/oder Bilder der inneren, dem menschlichen Auge verborgenen Strukturen und Vorgänge zu erzeugen. Nur wenige (wenn überhaupt) analytische Techniken, die sich mit der Physiologie und Entwicklung lebender Pflanzen in ihrer natürlichen Umgebung befassen, sind so vielseitig wie NMR (Ratcliffe, In Encyclopedia of Spectroscopy and Spectrometry, 2010).
Im Gegensatz zu den meisten medizinischen Anwendungen, die standardisierte Methoden (Knopfdruck-Protokolle) verwenden, ist Pflanzen-NMR immer noch durch die Eigenheiten des Pflanzengewebes herausgefordert. Daher ist die NMR-Bildgebung an Pflanzen noch immer auf originelle Entwicklungen und technologische Anpassungen (einschließlich Hard- und Software) angewiesen.
Die aktuelle NMR-Plattform umfasst die folgenden Module:
Der vertikale 9,4T supraleitende Magnet Bruker Avance III (Bruker BioSpin GmbH, Rheinstetten, Deutschland). Dabei handelt es sich um ein Weitlochsystem (Innendurchmesser 89 mm), das mit einer Frequenz von 400 MHz arbeitet und bildgebend ist. Es ist für die Erzeugung von drei verschiedenen Magnetfeldern ausgelegt: Das erste (B0) wird durch einen großen statischen Magneten aufgebaut, das zweite (Gx, Gy, Gz) durch einen Gradientenspulensatz, der drei schaltbare räumlich variierende orthogonale Magnetfelder erzeugt, und das dritte (B1) durch einen HF-Resonator, der ein zeitlich variierendes Magnetfeld orthogonal zu B0 bereitstellt. Der verfügbare Satz von RF-Spulen für die konventionelle 1H-NMR-Bildgebung ermöglicht die Untersuchung von Proben mit einer Auflösung von 30-60 mikrometer. Auf demselben Scanner führen wir auch Magnetresonanzspektroskopische Bildgebung (MRSI), Chemische-Austausch-Sättigungs-Transfer (CEST)-MRT und Chemische-Verschiebungs-Bildgebung (CSI) durch, um zusätzlich zum Bild, das durch 1H-MRT erzeugt wird, spektroskopische Informationen über die in der Pflanzenprobe ablaufenden Stoffwechselprozesse zu erhalten.
Kryogenisch gekühlter doppelt-resonanter 1H-13C-Sondenkopf (Bruker BioSpin GmbH, Rheinstetten, Deutschland). Dies ermöglicht eine bis zu fünffache Steigerung der Nachweisempfindlichkeit in der hochauflösenden NMR im Vergleich zu herkömmlichen Sonden. Die Empfindlichkeits- bzw. Signal-Rausch-Verbesserung in der kryogenen Sonde wird durch Absenken der Temperatur der Spule und des Vorverstärkers erreicht. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Temperatur der Probe. Die Technologie ermöglicht eine Bildgebung mit nahezu zellulärer Auflösung und wird für fortschrittliche Anwendungen an Samen und anderen kleinen Pflanzenorganen/Präparaten eingesetzt. Ein prominentes Anwendungsbeispiel ist die Verfolgung von (13C-markierter) Saccharose, was den wichtigsten pflanzlichen Zucker zur Ernährung des Samens darstellt.
Computerarbeitsplatz für die dreidimensionale (3D) Modellierung. Dieser kommt in Kombination mit den Softwarepaketen MATLAB und AMIRA zum Einsatz, und dient der Verarbeitung von 3D-MRT-Daten. Im Gegensatz zu einem lichtmikroskopischen Bild, das im Bildraum aufgenommen wird, wird das MRT-Bild im Fourier-Raum (auch als k-Raum bezeichnet) aufgenommen, und das eigentliche Bild muss dann über eine mehrdimensionale inverse Fourier-Transformation rekonstruiert werden. Im Gegensatz zu Lichtmikroskopie-Bildern sind NMR-Bilder monochromatisch, obwohl eine Farbkodierung hinzugefügt werden kann. Basierend auf den 3D-Datensätzen, die aus MRI oder MRSI abgeleitet werden, können wir 3D-Modelle generieren, die es erlauben, Strukturen zu visualisieren oder Volumina von (Teil-) Organen und deren dynamische Veränderungen während Wachstum und Entwicklung zu berechnen.
Der Bruker Minispec MQ-60 TD NMR Analyzer (Bruker GmbH). Dieses Benchtop-1H-NMR-Gerät mit 60 MHz Arbeitsfrequenz ist mit einem permanenten Magnetfeld der Stärke 1,5 T ausgestattet. Solche Gerätetypen sind in der medizinischen Forschung und Qualitätskontrolle (Lebensmittel und Pharmazie) weit verbreitet. Durch die Entwicklung eines neuartigen, schnellen und genauen Verfahrens zur gleichzeitigen Quantifizierung einer Reihe grundlegender Saatguteigenschaften ohne Zerstörung des Saatguts haben wir die Leistung des Instruments deutlich verbessert.
Mit diesem Gerät ermöglicht das Verfahren eine hochgenaue Messung des Ölgehalts, der Kohlenhydrate, des Wassers sowie des Frisch- und Trockengewichts der Samen. Die nicht-invasive Methode erfordert ein Minimum von ~20 mg Biomasse pro Probe und ermöglicht somit ein Screening einzelner, intakter Samen. (Für weitere Details siehe "A novel noninvasive procedure for high-throughput screening of major seed traits." Rolletschek, H., Fuchs, J., Friedel, S., Börner, A., Todt, H., Jakob, P. M., L. Borisjuk, Plant Biotechnol. J. 13, 188-199, 2015). Mit diesem Gerät ist keine Bildgebung möglich.
Der automatisierte Probenzuführungsroboter für das MQ-60TD NMR ist für das vollautomatische Wiegen von Fläschchen und den Fläschchentransfer zum mq60 NMR-Gerät ausgelegt. Der Roboter wurde von LAIX Technologies (Langerwehe, Deutschland) zur Verfügung gestellt und die Software für den Roboterbetrieb wurde von Comicon GmbH (Hamburg, Deutschland) bereitgestellt. Er besteht aus einem xyz-Picker-Arm, einer elektronischen Waage und zwei Probenracks mit je 250 Fläschchen. Die Fläschchen müssen manuell mit entsprechenden Mengen an Saatgut befüllt werden, während alle nachfolgenden Schritte vollautomatisch ablaufen. In Kombination mit TD-NMR ist ein Durchsatz von ~1.000 Proben pro Tag möglich. Wir entwickeln derzeit weitere Verfahren, um das analytische Spektrum und die Anwendbarkeit der TD-NMR für Samen verschiedener Pflanzenarten zu erweitern.
Zahlreiche neue NMR-Bildgebungsmethoden und Messtechniken wurden von unserem Forschungsteam entwickelt, publiziert und am IPK implementiert. So wenden wir beispielsweise MRT an, um dreidimensionale Modelle von Pflanzenorganen und inneren Strukturen zu erhalten und die Metabolitenverteilung mit hoher räumlicher Auflösung zu charakterisieren (Borisjuk et al., Plant Journal 2012; Munz et al., Biochimie 2016). Die Anpassung von NMR-Pulssequenzen ermöglicht es, Stoffwechselaktivitäten zu visualisieren (Rolletschek et al., Plant Cell, 2011), den Fluss von Zuckern innerhalb eines lebenden Samens zu verfolgen (Melkus et al., Plant Biotech. J., 2011), die Verteilung von Speicherlipiden in Samen und Früchten quantitativ zu kartieren (Borisjuk et al., Progress in Lipid Research 2013; Sturtevant et al, Sci. Adv. 2020), zur Überwachung der Keimung von Samen (Munz et al., New Phytol., 2017), zur Vermessung von Endosperm in reifen Samen entfernter Kreuzungen (Tikhenko et al., Comm. Biol., 2020), zur vergleichenden Analyse transgener Pflanzen (Rolletschek et al., Plant Cell, 2020; Radchuk et al., 2021) und Mutanten (Meitzel et al., New Phytol., 2021). Verschiedene Pflanzenarten und transgene Modelle können untersucht werden, z. B. Raps, Weizen, Gerste, Soja, Mais, Erbse, Hafer, Reis, Roggen, Tabak, Kaktus, Rosen, Zuckerrüben, Arabidopsis, Camelina, Jatropha.
Der vertikale 11,7T supraleitende Magnet AVANCE NEO (Bruker BioSpin GmbH, Rheinstetten, Deutschland). Dabei handelt es sich um ein Super-Wide-Bore-System, das mit einer Frequenz von 500 MHz arbeitet und zur Bildgebung fähig ist. Ein großer Vorteil des neu zu erwerbenden Gerätes ist, dass nicht nur Samen (oder kleinere Objekte von max. 2 cm Größe) sondern ganze Pflanzen oder komplexe Pflanzenorgane (Ähren, Schoten, Früchte, Wurzeln) untersucht werden können. Dies macht die Messungen wesentlich effizienter, und wird die Anwendungsgebiete der NMR für die Pflanzenforschung deutlich erweitern.
Begleitet von einer entsprechenden Methodenentwicklung sichert sich das IPK damit einen entscheidenden Vorteil in seiner Kernkompetenz - der Forschung an Kulturpflanzen und der Nutzung der genetischen Vielfalt (Biodiversität). Das Super-Wide-Bore-NMR-Gerät ist derzeit unangefochtener Stand der Technik im Bereich der NMR-basierten Abbildungssysteme. Das IPK hat sich entschlossen, die NMR-Technologieplattform am IPK zu erweitern und die bestehende Infrastruktur um ein weiteres Leuchtturmprojekt mit internationaler Sichtbarkeit zu ergänzen. Unterstützt durch das EFRE-Investitionsprogramm ist geplant, dieses "Super-Wide-Bore"-NMR-Instrument im Jahr 2022 am IPK zu etablieren, um den zukünftigen Bedarf zu decken.
Kontakt:
PD Dr. Ljudmilla Borisjuk
Tel: +49 39482 5-687
E-Mail: borisjuk[at]ipk-gatersleben.de